Forschungsprojekte
Im Rahmen seiner satzungsgemäßen Aufgaben initiiert und fördert der WEISSE RING Forschungsprojekte, die darauf zielen, die Kriminalprävention zu stärken oder die Situation von Kriminalitätsopfern nachhaltig zu verbessern.
Folgende Projekte haben wir beispielsweise gefördert:
Täter-Opfer-Ausgleich aus Opfersicht
Ist ein Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) für Opfer wirksam bzw. hilfreich für die Tatverarbeitung? Dieser Frage wurde im Rahmen des Forschungsprojektes an der Universität Heidelberg von Andrea Berndt nachgegangen. Die Untersuchung beinhaltet eine umfassende theoretische Darstellung des Wiedergutmachungsgedankens im Strafrecht unter besonderer Berücksichtigung der Opferposition. Der hier interdisziplinär geführte Diskurs verbindet psychologische, philosophische, kriminologische und rechtswissenschaftliche Erklärungskonzepte bezüglich restorativer Maßnahmen und flicht die Ergebnisse bereits bestehender empirischer Forschungsarbeiten mit ein.
Als theoretischer Rahmen dient die Konsistenztheorie von Klaus Grawe (1998), die davon ausgeht, dass Menschen zwar die gleichen Grundbedürfnisse besitzen, sie aber über unterschiedliche motivationale Systeme befriedigen. Partizipation, Artikulation von Bedürfnissen und Empfindungen und das Missbilligen der Straftat sind grundlegende Opferbedürfnisse. Es wird angenommen, dass sowohl eine gerichtliche Verhandlung als auch ein TOA die Bedürfnisse von Opfern befriedigt, jedoch stärker der TOA. Um die gruppenspezifischen Veränderungen feststellen zu können, wurden die Untersuchungsteilnehmer vor und nach der jeweiligen Intervention u.a. mit Hilfe des Fragebogens zur Analyse Motivationaler Schemata (FAMOS) und des Inkongruenzfragebogens (INK) untersucht. Opfer, die an einem TOA teilnahmen, zeigten über alle Tests hinweg positive Entwicklungen. Die Ergebnisse bei den Verhandlungsteilnehmern waren nicht eindeutig. Sie besaßen zu beiden Messzeitpunkten signifikant höhere Inkongruenzwerte. Dies könnte auf eine schlechtere Bedürfnisbefriedigung und eine höhere Belastung dieser Gruppe deuten. Darüber hinaus veränderte sich das motivationale Zielsystem der TOA-Teilnehmer positiv, das der Verhandlungsteilnehmer hingegen negativ. Die Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass der TOA für Opfer, die dieses Verfahren freiwillig wählen, eine bedürfnisbefriedigende und somit bewältigungsbeitragende Interventionsmethode darstellt. Die Ergebnisse dürfen jedoch nicht für alle Opfergruppen generalisiert werden.
Beratung und psychotherapeutische Unterstützung von Stalkingopfern
Stalking ist häufig ein lang andauerndes Phänomen, das durch wiederholte Belästigungen, meist mittels verschiedener Stalking-„Methoden“, charakterisiert ist. Aufgrund der Unvorhersehbarkeit der Kontaktaufnahmeversuche des Stalkers und der Ungewissheit, ob ein Ausbleiben der Belästigungen das Ende des Stalkings, eine Pause oder gar die „Ruhe vor dem Sturm“ bedeutet, befinden sich viele Opfer in einem überdauernden Zustand der Anspannung, Angst und Hypervigilanz, was einer chronischen Stresssituation gleich kommt. Entsprechend zeigen diverse Studien ein im Vergleich zu Kontrollpersonen stärkeres Ausmaß an psychischer Beeinträchtigung bei Stalkingopfern (Dreßing et al., 2005, Blaauw et al., 2002) sowie ein höheres Risiko für psychische Erkrankungen, speziell stressbezogene Erkrankungen wie depressive Störungen und Angststörungen (Kühner et al., 2007).
Dies spricht für den Bedarf nach spezifischer therapeutischer Unterstützung für Betroffene und war Anlass für das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI, Arbeitsgruppe Forensische Psychiatrie), mit Hilfe der Förderung durch den WEISSEN RING ein Pilotprojekt in Form eines therapeutischen Gruppenprogramms für Stalkingopfer zu implementieren.
Die Erfahrungen des durch den WEISSEN RING geförderten Pilotprojektes zeigen, dass ein therapeutisch fundiertes Gruppenprogramm für Stalkingopfer in der Praxis gut umsetzbar ist. Das psychische Befinden der Gruppenteilnehmerinnen verbesserte sich signifikant und die Teilnehmerinnen äußerten sich zufrieden mit dem Angebot. Alle Betroffenen gaben an, mit Hilfe der Gruppe eigene Kompetenzen erworben bzw. gestärkt zu haben, um mit Stalking besser umgehen zu können. Die Hälfte der Teilnehmerinnen wurde nach Abschluss der Gruppe nicht mehr belästigt, was angesichts der in den meisten Fällen sehr lang andauernden Stalking-Vorgeschichte überraschte.
Im Anschluss an das Pilotprojekt wurden die am ZI entwickelten und erprobten Interventionen in ein Praxismanual zur Beratung und psychotherapeutischen Unterstützung von Stalking-Opfern gefasst. Dieses Manual wurde in einem Anschlussprojekt, das von Oktober 2008 bis September 2009 durchgeführt und ebenfalls vom WEISSEN RING gefördert wurde, durch ExpertInnen in externen Beratungseinrichtungen, die mit Stalking-Opfern arbeiten, validiert. Dies geschah in Form von regelmäßig am ZI durchgeführten interprofessionellen Qualitätszirkeln, in denen neben der Fallsupervision Rückmeldungen über die Anwendung des Manuals und Anregungen für dessen Überarbeitung gesammelt wurden. Zudem erfolgte eine Evaluation in schriftlicher Form (Fragebögen), in denen die externen BeraterInnen den Umfang der eingesetzten Interventionen, deren Praktikabilität sowie Verbesserungsvorschläge dokumentierten.
Das Praxismanual wurde anhand der Rückmeldungen sukzessive modifiziert und ist 2010 mit Unterstützung durch den WEISSEN RING im Verlag Hans Huber, Bern, erschienen: „Beratung und Therapie von Stalking-Opfern. Ein Leitfaden für die Praxis“ von Christine Gallas, Ulrike Klein und Harald Dreßing. Einen Einblick ins Thema gibt auch der Tagungsbeitrag von Christine Gallas und Harald Dreßing beim 20. Opferforum des WEISSEN RINGS, den wir hier zum Download anbieten:
Interapy - internetbasierte Behandlung von posttraumatischen Belastungsreaktionen
Mit Unterstützung des WEISSEN RINGS wurde Interapy, eine in den Niederlanden sehr erfolgreiche internetbasierte Behandlung für posttraumatische Belastungsstörungen, erstmals als Modellprojekt auch in Deutschland angeboten. Nach drei Jahren (2002–2005) Studienarbeit liegt der Abschlussbericht vor. Das Behandlungsprotokoll wurde von Prof. Dr. Alfred Lange, dem Begründer von Interapy von der Universität Amsterdam, Dipl.-Psych. Christine Knaevelsrud und Prof. Dr. Dr. Andreas Maercker, beide von der Universität Zürich, ins Deutsche übertragen und für den deutschsprachigen Raum angepasst. Prof. Maerker ist Mitglied des Fachbeirats Medizin/Psychologie des WEISSEN RINGS.
Im Rahmen der wissenschaftlichen Überprüfung wurden 96 Patienten kostenlos behandelt. Zwei Drittel davon waren durch den WEISSEN RING vermittelt wurden, der die Studie auch zum erheblichen Teil finanziell unterstützte. Die Ergebnisse sind Teil einer Studie hinsichtlich der Wirksamkeit einer internetbasierten Intervention im deutschsprachigen Raum. An der Studie nahmen zu 89 Prozent Frauen und zu elf Prozent Männer teil. Das Durchschnittsalter betrug 35 Jahre. Die Mehrheit der Patienten hatte eine nahestehende Person verloren (49 Prozent), 28 Prozent gaben sexuellen Missbrauch, Inzest oder Vergewaltigung als Trauma an und acht Prozent waren Gewaltopfer.
Das Projekt kann durchweg als erfolgreich bezeichnet werden. Die Studienteilnehmer beschrieben die Behandlung als eine wirksame Möglichkeit, ihre traumabedingten Symptome zu reduzieren. Insgesamt war die Resonanz der teilnehmenden Patienten sehr positiv. Die Anonymität einer internetbasierten Therapie erlaubt offenbar ein höheres Maß an Offenheit und Aufrichtigkeit, das besonders bei stigmatisierend erlebten Symptomen und Erlebnissen als wirksam erfahren wird. Hinzu kommt eine Nutzung von zeitgemäßen Medien zur Krankheitsbehandlung.
Die Ergebnisse lassen auf einen positiven Effekt der Behandlung schließen. In der Behandlungsgruppe konnte eine signifikante Reduktion der traumabedingten Symptome sowie der Depressions- und Angstsymptomatik festgestellt werden. Die Behandlungseffekte zeigten eine deutliche Verbesserung nach Beendigung der Therapie: Insgesamt gaben 80 Prozent der Patienten nach Abschluss der Behandlung an, dass sie es als angenehm empfanden, übers Internet behandelt zu werden. Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass eine internetbasierte Therapie zu einer starken Verringerung der traumabedingten Symptomatik führt, die auch nach eineinhalb Jahren noch anhält.
In Deutschland wird Interapy beispielsweise vom Behandlungszentrum für Folteropfer Berlin (bzfo) angeboten. Den Abschlussberichts des Projekts können Sie hier herunterladen:
Projektförderung der WEISSER RING Stiftung
Zusätzlich zum WEISSEN RING e. V. fördert auch die Stiftung des WEISSEN RINGS Projekte mit wissenschaftlicher Komponente.