Zwei Jahre nach Anschlag auf Berliner Breitscheidplatz: WEISSER RING lehnt drohende Verschlechterungen bei Leistungen für Opfer von Terror und Gewalt ab

Bundessozialministerium legt Referentenentwurf für neues SGB XIV vor – Prinzip der sozialen Sicherheit gerade für schwer Geschädigte in Gefahr

Einschränkungen bei Schockschäden, Wegfall der Entschädigung für Einkommensverluste bei Hinterbliebenen von Opfern von Tötungsdelikten, nach dem Gesetzestext regelmäßige Überprüfung der Anspruchsberechtigung auch bei Verlust von Gliedmaßen: Der WEISSE RING lehnt den am 30. November vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) veröffentlichten Referentenentwurf für ein SGB XIV, durch das künftig die Leistungen für Opfer von Terror und Gewalt geregelt werden sollen, in Gänze ab. Trotz geplanter Verbesserungen etwa für Opfer von Sexualstraftaten können künftig gerade die schwer Geschädigten schlechter gestellt werden.

Wer beispielsweise als Tatzeuge des Terroranschlags auf dem Weihnachtsmarkt in Berlin am 19. Dezember 2016 einen Schockschaden erlitten hat und stark traumatisiert worden ist, weil er mitansehen musste, wie Menschen von dem durch den Terroristen gelenkten LKW überrollt worden sind, müsste künftig als Tatzeuge eines vergleichbaren Ereignisses eine enge emotionale Beziehung zu einer der verletzten oder getöteten Personen nachweisen. Besteht diese nicht, soll der Betroffene trotz erheblicher gesundheitlicher Schädigung nicht mehr eine Rentenzahlung oder Rehabilitation erhalten. „Tatzeugen erleben das Verbrechen und sind unmittelbar von der Tat betroffen. Folglich sind auch sie Opfer und haben daher ein Recht auf volle Entschädigung und bestmögliche Versorgung. So sieht es bisher auch ein Rundschreiben des BMAS aus dem Jahre 2006 vor", sagt Jörg Ziercke, Bundesvorsitzender des WEISSEN RINGS und Präsident des Bundeskriminalamts a. D.

Laut BMAS-Entwurf ebenfalls neu beabsichtigt ist eine Regelüberprüfung der Anspruchsberechtigung bei Opfern, die durch eine Tat schwerste Schädigungen davongetragen haben. Selbst wer durch einen kriminellen Akt unwiderruflich Gliedmaßen oder etwa ein Auge verloren hat, könnte sich alle fünf Jahre einer Überprüfung ausgesetzt sehen. Das wäre eine Neuregelung, die Betroffene unnötig belastet und die der Gesetzgeber nach seiner Begründung wohl nicht gewollt hat. Hier muss zumindest die Formulierung aus der Begründung übernommen werden, die von einer Überprüfung spricht, die „in der Regel" erfolgen soll. „Andernfalls dokumentiert der Gesetzentwurf leider ein offenkundiges Misstrauen der Bürokratie gegen Antragsteller, die schwerste Schicksalsschläge geltend machen", sagt Ziercke.

Bei den Hinterbliebenen von Mord- und Totschlagsopfern wiederum sollen durch das Verbrechen erlittene Einkommensverluste künftig nicht mehr entschädigt werden. Ferner sollen Eltern eines Getöteten, die nicht mehr allein für ihren Unterhalt sorgen können, zukünftig keine Rentenzahlungen mehr erhalten. „Das strahlt, man muss es leider so nennen, eine soziale Kälte aus, die eines Sozialstaates unwürdig ist. Es darf nicht sein, dass Angehörige von schwer geschädigten Opfern wegen eines Verbrechens in die Sozialhilfe abrutschen", betont Ziercke.

Der WEISSE RING hat einen eigenen Entwurf für eine Weiterentwicklung der Opferentschädigung in Deutschland vorgelegt. Dieser setzt auf den Vorschriften des bisherigen Entschädigungsrechts, geregelt durch das Opferentschädigungsgesetz (OEG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG), auf und ergänzt diese durch Verbesserungsvorschläge wie etwa den zur Beweiserleichterung für Opfer sexuellen Missbrauchs. Durch den Entwurf des WEISSEN RINGS sind die Lücken im bestehenden Opferentschädigungsrecht beseitigt worden.

Foto: Matthias Haslauer

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