WEISSER RING fordert bessere Vernetzung der Hilfen für Stalking-Opfer
Anlaufstellen für Stalking-Opfer sollen sich untereinander besser vernetzen. Dies fordert der WEISSE RING, Deutschlands größte Hilfsorganisation für Opfer von Kriminalität, anlässlich einer Fachtagung des Vereins in Mainz.
„Polizisten, Staatsanwälte, Opferhelfer – gleich mehrere Berufsgruppen kommen mit Stalking-Opfern in Kontakt", sagt Bianca Biwer, Bundesgeschäftsführerin des WEISSEN RINGS. Um effektiv helfen zu können, sei es daher wichtig, die verschiedenen Perspektiven zusammenzuführen. „Wir müssen dahinkommen, dass Anlaufstellen mehr als bisher zusammenarbeiten, sich besser austauschen und Informationen weitergeben", so Biwer. Dies passiere nicht immer – und berge die Gefahr, dass Tathergänge nicht richtig rekonstruiert sowie Leidenswege der Opfer nicht richtig nachgezeichnet und weitergegeben würden. Die Bundesgeschäftsführerin sieht hier Nachholbedarf. Biwer: „Gute Vernetzung ist unabdingbare Voraussetzung dafür, Stalking-Opfern umfänglich und bestmöglich zu helfen."
Unter dem Motto „Stalking: Vom Phänomen zur vernetzten Opferhilfe – 10 Jahre § 238 StGB" tauschen sich Forscher, Polizisten, Anwälte, Opferhelfer und Betroffene am heutigen Mittwoch im Erbacher Hof in Mainz zum Thema aus. Veranstalter sind der WEISSE RING, das Zentralinstitut für seelische Gesundheit Mannheim (ZI Mannheim) sowie das Institut für Kriminologie der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Anlass ist das zehnjährige Bestehen des entsprechenden Paragraphen im Strafgesetzbuch, der Stalking einst zum eigenen Straftatbestand machte. Die Tagung beleuchtet das Phänomen Stalking aus verschiedenen Perspektiven: Thema ist zum einen die rechtliche Situation von Stalking-Opfern in den vergangenen Jahren, zum anderen sprechen die Experten auch über praktische Opferhilfe.
Jede Anlaufstelle deckt einen wichtigen Teil des Hilfespektrums ab, das Stalking-Opfer so dringend brauchen: Einige Anlaufstellen können das vom Täter ausgehende Risiko bewerten. Andere können dem Opfer Verhaltensregeln im Umgang mit dem Stalker an die Hand geben und es psychologisch unterstützen. Die Polizei als Anlaufstelle kann konkret gegen den Täter vorgehen und das Opfer auf diese Weise schützen. „Wichtig ist, dass die eine Anlaufstelle über die Arbeit der anderen Bescheid weiß", so Biwer. „Nur so kann dann die eigene Hilfeleistung angepasst und die Gefahrenlage immer wieder neu bewertet werden." Die Teilnehmer der Tagung versuchen daher, im Rahmen von Workshops Impulse für eine umfassendere, besser vernetzte praktische Opferhilfe zu geben.
Der WEISSE RING weist seit jeher darauf hin, dass Stalking alles andere als ein Randphänomen ist: Statistisch gesehen wird etwa jeder Zehnte im Laufe seines Lebens einmal gestalkt. Dabei sind über 80 Prozent der Stalker männlich, über 80 Prozent der Stalking-Opfer sind dagegen weiblich. In etwa der Hälfte der Fälle bestand eine Paarbeziehung. Im vergangenen Jahr 2016 haben sich bundesweit mehr als 630 Stalking-Opfer an den WEISSEN RING gewandt und wurden materiell betreut. Die Zahl der ehrenamtlichen Hilfen wie Trost, Beistand und Begleitung zur Polizei oder zu Gerichtsterminen ist noch einmal bedeutend höher, wird vom WEISSEN RING aber statistisch nicht exakt erfasst.
„Stalking-Opfer sind im Vergleich zu Personen, die noch nie von Stalking betroffen waren, stärker psychisch beeinträchtigt und weisen ein erhöhtes Risiko für psychische Erkrankungen, insbesondere depressive Störungen, posttraumatische Belastungsstörungen und Angststörungen, auf", sagt Diplom-Psychologin Christine Gallas vom ZI Mannheim. Betroffene zeigten charakteristischerweise tiefgreifende Verhaltensänderungen, Gefühle des Kontrollverlusts und Ausgeliefertseins und eine ausgeprägte gedankliche Beschäftigung mit dem Stalker. Angstzustände, Schlafstörungen, vegetative Beschwerden und sozialer Rückzug seien häufige Folgeerscheinungen.
Der WEISSE RING hilft nicht nur den Opfern von Stalking konkret – etwa durch menschlichen Beistand, durch Begleitung bei Behördengängen und durch Vermittlung materieller Hilfen. Darüber hinaus unterstützt der Verein auch Forschung zum Thema, um das Phänomen Stalking besser erfassen und Opfern dadurch besser zu helfen.
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