Interview


Mit digitaler Unterstützung nah am Menschen: 
Online-Behandlung – ein Hilfsangebot der FU Berlin

Im Interview: Florian Wedell, Referent Medizin/Psychologie beim WEISSEN RING

Menschen, die Opfer von Gewalt geworden sind und unter einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) leiden, brauchen schnelle und professionelle Hilfe – insbesondere psychotherapeutische Unterstützung. Doch deutschlandweit ist das verfügbare Angebot stark begrenzt. Die Anzahl von Traumaambulanzen variiert erheblich von Bundesland zu Bundesland, und die ambulante therapeutische Versorgung ist oftmals so überlastet, dass Betroffene mit langen Wartezeiten rechnen müssen. Aus diesem Grund hat sich der WEISSE RING entschlossen, eine Studie der Freien Universität Berlin (FU Berlin) zu unterstützen, die Betroffenen eine Online-Behandlung anbietet. Wir sprechen mit Florian Wedell vom WEISSEN RING.

Florian Wedell

Florian Wedell, Referent Medizin/Psychologie beim WEISSEN RING

Warum unterstützt der WEISSE RING die Online-Behandlung der FU Berlin?
Wir setzen uns schon seit Langem für den Einsatz innovativer Technik ein, um die psychotherapeutische Versorgung von Straftatbetroffenen zu verbessern. Besonders wichtig ist es uns, Menschen zu erreichen, die aufgrund ihrer psychischen Belastung nicht mehr in der Lage sind, ihre Wohnung zu verlassen. Wir wollen diese Betroffenen genau dort abholen, wo sie gerade stehen.

Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Prof. Dr. Christine Knaevelsrud von der FU Berlin forscht seit Langem an onlinebasierten Therapieansätzen. Zudem ist sie Beirätin für den Fachbereich Medizin/Psychologie beim WEISSEN RING und kennt die schwierige Situation der Opfer. Die positiven Ergebnisse früherer Studien mit posttraumatisch belasteten Soldatinnen und Soldaten überzeugten den Vorstand des WEISSEN RINGS, diese Studie finanziell zu unterstützen. 

Welche Rolle übernimmt der WEISSE RING bei der Studie?
Der WEISSE RING ermöglicht 150 Personen die Teilnahme an der Online-Studie. Zudem bewerben wir das Angebot über unsere Social-Media-Kanäle und neben den Außenstellen sind auch das Opfer-Telefon und die Onlineberatung eingebunden. Sie können Betroffenen Informationen zur Studie weitergeben und auf das Angebot der FU Berlin hinweisen.

Welche Opfer sollen angesprochen werden?
Das Angebot richtet sich ausschließlich an Menschen, die Opfer einer Straftat wurden und infolgedessen an einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) leiden. Dabei müssen sie bestimmte Kriterien erfüllen: Sie müssen über 18 Jahre alt sein und dürfen aktuell keine weitere Psychotherapie in Anspruch nehmen.

Wie läuft eine Anfrage ab und wie lange dauert eine Online-Behandlung?
Interessierte Personen melden sich über einen Link an und beantworten zunächst einige Fragen. Anschließend erstellen sie einen Account. Dann folgt ein Telefoninterview, um das Trauma und die PTBS-Symptome genau zu erfassen. Die Online-Behandlung dauert im Durchschnitt sechs Wochen. Die Teilnehmenden absolvieren zehn Schreibsitzungen und sollen zweimal pro Woche schreiben. Eine Schreibsitzung dauert 45 Minuten. Innerhalb von 48 Stunden erhalten sie werktags eine therapeutische Rückmeldung.

Wer betreut die Opfer? Wer sind die Menschen hinter dem Angebot?
Die Patienten werden während der Behandlung professionell von approbierten Psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychologischen Psychotherapeuten begleitet, die spezifisch für diese internet-basierte Behandlung geschult wurden.

Wie viele Opfer haben sich bisher gemeldet?
Aktuell sind 92 in die Behandlung aufgenommen und durchlaufen eine Online-Behandlung. Die Studie läuft noch bis Ende 2025.


Hinweis:  WRITE – internet-basierte Behandlung der Posttraumatischen Belastungsstörung für Betroffene nach Straftaten

WEISSER RING - Aktuell Mai 2025