Ehrenamtliches Engagement im WEISSEN RING
Opfer brauchen Beistand – und den leisten im WEISSEN RING etwa 3.000 ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter:
- in einer Außenstelle vor Ort
- in der Digitalen Außenstelle
- als Berater/in am Opfer-Telefon
- als Berater/in in der Onlineberatung
Wenn Sie sich vorstellen können, in einem dieser ehrenamtlichen Bereiche mitzuwirken, nehmen Sie gern Kontakt zu uns auf: Alle Informationen zur Ausbildung und Mitarbeit beim WEISSEN RING finden Sie auf dieser Seite.
Wir freuen uns immer über Verstärkung: Werde Opferhelfer/in!
Werde Opferhelfer/in!
Einblick in die Tagebücher unserer ehrenamtlichen Mitarbeiter
„Sich für Menschen in Not engagieren ist unabhängig von Alter. Verständnis, Orientierung und ein offenes Ohr - darauf kommt es an.“Kerstin Schimanski, Ehrenamtliche Mitarbeiterin in der Außenstelle Halle
Auszüge aus Tagebucheinträgen
Tagebucheintrag eines Onlineberaters
Ich bin nun seit zwei Jahren als Onlineberater beim WEISSEN RING tätig. Begonnen habe ich, weil ich nach dem Eintritt in den Vorruhestand etwas Sinnvolles machen wollte und ich bei meiner Suche nach einer ehrenamtlichen Tätigkeit auf die Arbeit des WEISSEN RINGS aufmerksam wurde. Schon während der Ausbildung bemerkte ich, dass die Onlineberatung nicht nur mir selbst viel geben würde, sondern vor allem für die Ratsuchenden extrem wichtig ist. Ich habe es bisher keine Sekunde bereut und bin froh, zu einem tollen Team gehören zu dürfen.
Gerade heute hatte ich zwei Fälle von Cybermobbing, eine Straftat die leider nicht nur immer häufiger auftritt, sondern zudem nur sehr schwer strafrechtlich zu verfolgen ist, da die Täter meist nicht zu ermitteln sind. Gerade dieser Umstand führt aufgrund der erlebten oder gefühlten Hilflosigkeit zu einer besonderen psychischen Belastung bei den Opfern, die sich oft in den Mails sehr deutlich widerspiegelt. Deshalb war ich heute froh, Post eines Ratsuchenden zu erhalten, in der er sich bei mir bedankte und schrieb, über die von mir erwähnte Möglichkeit eine unserer Außenstellen aufzusuchen, jetzt ernsthaft nachzudenken. Gerade dieser Schritt, der oft für weitere Beratungsmöglichkeiten wichtig ist, erscheint den Opfern als sehr groß, da sie damit aus ihrer Anonymität heraustreten müssen. Ein kleiner Erfolg, der mich in meinem Dienst motiviert hat!
Tagebucheintrag einer Beraterin am Opfer-Telefon
Vor etwa sechs Jahren las ich in der örtlichen Presse den Artikel über das Opfer-Telefon des WEISSEN RINGS. Sofort stand für mich fest, dass ich dies auch machen wollte - Ehrenamtlich Menschen helfen, die Opfer von Kriminalität und Gewalt geworden sind- und das von Zuhause aus.
Es ist eine erfüllende Aufgabe, den Opfern von Straftaten durch ein Erstgespräch am Beratungstelefon Empathie, Hoffnung und Orientierung zu geben. Ebenso fühle ich mich als Lotsin, die Anrufende auch an geeignetere Stellen oder zu den zuständigen Außenstellen des WEISSEN RINGS, wo dann die persönliche Hilfe geleistet wird, zu vermitteln.
Ich habe mich bewusst für ein Ehrenamt ohne persönlichen Kontakt zu den Opfern entschieden, um nicht zu sehr der Belastung durch die intensive Auseinandersetzung mit Einzelschicksalen ausgesetzt zu sein. Mein Dienst am Opfer-Telefon beginnt sonntags um 7:00 Uhr und endet um 10:00 Uhr. Für die Anrufer ist es oft eine Erleichterung und nicht so schambehaftet, dass sie beim Schildern ihrer Notlage keinem Augenkontakt ausgesetzt sind. Es kommt aber dennoch vor, dass Betroffene durch die Geschehnisse kaum in der Lage sind, diese in Worte zu fassen. Das sind dann oft die Fälle, die auch bei mir eine persönliche Betroffenheit auslösen. Dennoch ist es für mich wichtig auf meine eigene Psychohygiene zu achten und zu versuchen auf das richtige Verhältnis von Nähe und Distanz zum dem Gehörten zu achten, damit ich für den Anrufenden in seiner Notlage auch eine Stütze sein kann.
Schön ist es für mich, wenn ich es um 10:00 Uhr das Gefühl habe, den Anrufenden etwas mit an die Hand gegeben zu haben.
Tagebucheintrag einer Opferhelferin
„Ich weiß nicht, wie ich Ihnen je für die Unterstützung danken soll...“ höre ich noch, bevor ich fest in den Arm genommen werde. Dieser Moment liegt rund 3 Jahre zurück, aber ist mir noch immer präsent. Es war eine meiner ersten Fallbegleitungen als ehrenamtliche Opferhelferin. Ich erinnere mich noch heute an das zögerliche Gefühl meinerseits in dieser Situation, als eine Person, die ich erst wenige Stunden kannte, mich so herzlich an sich zog. Diese körperliche Nähe gilt es eigentlich zu vermeiden, doch es war ein Impuls der betroffenen Person. Ich hatte doch „nur“ zugehört. Ich hatte doch „nur“ 150 € Soforthilfe weitergeben können – ein Bruchteil der Monatsrente, die ihr im Diebstahl entwendet worden war. Ich war doch „nur“ begleitend bei einem Termin mit der Hausverwaltung dabei gewesen, um über die ausstehende Mietzahlung zu sprechen.
Aber für diese Person war es nicht „nur“ ein Diebstahl. Es war eine unerwartete und erschreckende Situation plötzlich von einer Straftat betroffen zu sein.
Und jetzt!? Was muss ich tun? Woran muss ich denken? Wie kann ich die finanzielle Notlage überbrücken? Sind meine Gefühle eine normale Reaktion auf das Erlebte? Wird die Angst und Unsicherheit vergehen? Und warum trifft es gerade mich…?
Ich war nicht „nur“ da. Ich habe zugehört, Verständnis gezeigt, Orientierung geben und vermittelt. Ich habe die betroffene Person ein Stück auf ihrem Weg begleitet. Ich war da und das war entscheidend.
Es bestärkt mich zu erleben, dass die ehrenamtliche Arbeit, die ich mache, wirklich hilft. Als Mitarbeiterin des WEISSEN RINGS bin ich da, damit Opfer nicht alleine sind. Ich stehe Betroffenen von Kriminalität und Gewalt zur Seite – durch menschlichen Beistand und praktische Hilfe.
Tagebucheintrag einer Onlineberaterin
Sonntagmorgen. Noch im Schlafanzug setze ich mich mit einer Tasse Tee an meinen PC. Ich bin gespannt was mich heute erwartet. Ob „Sternenstaub“ wieder geschrieben hat? „Sternenstaub“ ist ihr Benutzername. Ihren echten Namen hat sie nicht verraten. Auch ihren Wohnort kenne ich nicht. Alles was ich weiß ist, dass sie 24 Jahre jung ist und als kleines Mädchen immer wieder sexuell missbraucht wurde – in der eigenen Familie. Lange hat sie gedacht sie komme alleine damit klar. Aber seit einiger Zeit merkt sie, dass es sich nicht mehr verdrängen lässt – Albträume und Panikattacken quälen sie. Sie traut sich kaum noch unter Menschen. Ich bin die erste der sie je von ihrem Erlebten erzählt hat. Schriftlich, wohl gemerkt. Mit jemandem darüber zu sprechen, das schier Unaussprechliche auszusprechen, ist noch immer unvorstellbar für sie.
Seit Wochen versuche ich sie zu ermutigen mit der Außenstelle des WEISSEN RINGS Kontakt aufzunehmen. Damit sie jemanden hat, der ihr hilft eine Therapeutin zu finden, jemanden, der sie dabei unterstützt einen Antrag auf EHS-Leistungen zu stellen, der sie begleitet, falls sie doch eines Tages noch Anzeige erstatten möchte. Während mir ihr trauriges Schicksal durch den Kopf geht, habe ich mich in die Beratungsplattform eingeloggt. Nein, keine neue Nachricht von „Sternenstaub“. Ich bin fast etwas enttäuscht. Aber schließlich habe ich ihr selbst geschrieben sie solle sich so viel Zeit lassen wie sie braucht, sie bestimme das Tempo. Vielleicht meldet sie sich sie ja nächste Woche wieder.
Dafür hat Lolo66 wieder geschrieben. Sie hat es noch nicht geschafft sich von ihrem gewalttätigen Freund zu trennen. Aber es tut ihr offensichtlich gut sich hier ihren Kummer ein wenig von der Seele zu schreiben. Wenn es mir gelingt den Dialog noch ein wenig aufrechtzuerhalten und ich ihr behutsam aufzeige, welche Möglichkeiten sie hat, schafft sie es sicher, die für sie richtige Entscheidung zu treffen - so hoffe ich. Bis ich ihre lange Nachricht aufmerksam gelesen und die richtigen Worte gefunden habe, um sie stark zu machen, ist meine Dienstzeit schon fast vorbei. Aber wenigstens eine Neuanfrage möchte ich noch annehmen. Diesmal von einem Julian, 43 Jahre alt. Er fühlt sich verfolgt. Überall seien Kameras, die jeden seiner Schritte aufnehmen. Und dahinter- so mutmaßt er, steckt sein Nachbar der ihn „aus dem Weg räumen“ will. Schon mehrfach war Julian bei der Polizei deswegen, doch fühlt sich dort nicht ernst genommen. Es gibt Menschen, die Hilfe brauchen, aber für die der WEISSE RING vielleicht nicht unbedingt die richtige Anlaufstelle ist, darunter -könnte auch Julian fallen. Aber was, wenn es tatsächlich jemand auf Julian abgesehen hat und niemand ihm glauben will, weil seine Leidensgeschichte so klingt wie sie klingt? Eine furchtbare Vorstellung! Ich möchte also Julians Sorgen ernst nehmen, ihm Hilfestellungen und Tipps zu geben. Gar nicht so einfach, für all diese unterschiedlichen Bedürfnisse immer den richtigen Ton zu treffen. Aber meine Ausbildung als Opferhelferin und viel Erfahrung helfen mir.
Alles ganz schön belastend für einen Sonntagmorgen? Vielleicht. Trotzdem: Es fühlt sich gut an, wenn ich nach meinem Dienst auf den Tag zurück blicke. Vielleicht konnte ich einem Menschen in Not ein klein wenig Mut machen, im Idealfall sogar eine konkrete Perspektive aufzeigen, die ihn anspornt nicht aufzugeben.
Tagebucheintrag eines Beraters am Opfer-Telefon
Meine Arbeitswoche ist vorbei, heute arbeite ich nur für das Opfer-Telefon, nun schon seit etwas mehr als zwei Jahren. Warum mache ich das? Ich möchte mich sozial engagieren und es gibt mir ein gutes Gefühl, wenn ich unverschuldet in Not geratenen Menschen ein wenig helfen kann. Zwei bis drei Stunden vor Dienstbeginn bereite ich meinen PC vor, falls etwas nicht klappt, habe ich noch Zeit mich darum zu kümmern. Ich öffne die Intranetseiten des WEISSEN RINGS und meine Unterlagen: die Linkliste, die Trauma- & Forensische Ambulanzen, den Reader und die Dokumentation. Zusätzlich die Kontaktliste der Kriseninterventionsteams (für alle Fälle) und natürlich die Seite fürs Einwählen.
Manchmal denke ich an die herausfordernden Anrufe, an die ich mich noch erinnern kann. Z.B. ein erweiterter Suizid, bei dem die Eltern eines Säuglings Hilfe benötigten. Oder die ältere Dame, die unter lautem Schluchzen nur mitteilen konnte, ihr Sohn sei erschossen worden. Glücklicherweise war sie bereits ins helfender psychologischer Behandlung und ich konnte sie beruhigen und habe ihr zusätzlich die Nummer unserer Außenstelle gegeben. Dort kann sie im persönlichen Kontakt Unterstützung finden.
Was erwartet mich wohl heute? Schließlich empfange ich den ersten Anruf, eine junge Frau aus einem Pflegeheim. Die Dame sagt, sie sei fast vollständig gelähmt, werde schlecht gepflegt und dabei auch noch sexuell missbraucht. Dies ist ihr dritter Anruf (das ist selten). Zunächst war sie sehr niedergeschlagen und wollte schon aufgeben. Ich habe sie damals ermutigt, sich zu wehren. Beim zweiten Anruf fragte sie gezielt nach Hinweisen, wie sie sich wehren kann und nun berichtet sie vom Erfolg. Der Staatsanwalt ermittelt und ihre Situation hat sich verbessert. Ich bin froh, dass ich in diesem Fall etwas bewegen konnte.
Der zweite Anruf kommt von einer Zeugin einer Gewalttat, die jedoch aus Angst vor den Folgen ihrer Aussage anonym bleiben will. Da sie selbst Juristin ist, finden wir hier gemeinsam eine Lösung.
Schließlich folgt der Anruf eines Sohnes, dessen Mutter Opfer von Cyberkriminalität geworden ist. Nun sind alle ihre Ersparnisse weg.
Der nächste Anruf ist eine anonyme Beschimpfung. Schade, diese Zeit wäre besser nutzbar gewesen.
Der folgende Anruf ist eine Weiterleitung von „Frauen in Not“. Diese Anruferin möchte eine Kollegin sprechen. Das ist okay, wenn sich die Anruferin nicht mit mir als Mann wohlfühlt. Da ich allein im Dienst bin, verweise ich auf die Kollegin, die mich ablöst. Danach ruft ein junger Mann an, der vergewaltigt wurde. Anzeige will er nicht erstatten, er wirkt jedoch sehr mitgenommen und eingeschüchtert und möchte seine Verletzungen dokumentieren. Ich respektiere diese Entscheidung und verweise auf die nächste Forensische- und Traumaambulanz.
Der letzte Fall an diesem Tag betrifft eine junge Frau, bei der in der vorletzten Nacht eingebrochen wurde und sie die Täter überrascht hatte. Die Tat wurde von der Polizei aufgenommen und sie wurde medizinisch untersucht. Da sie psychisch sehr angeschlagen wirkt, verweise ich sie auf die nächste Traumaambulanz und empfehle die Außenstelle des WEISSEN RINGS. Nun sind die drei Stunden schon vorbei.